Tokio Vice by Jake Adelstein

Tokio Vice by Jake Adelstein

Author:Jake Adelstein [Adelstein, Jake]
Language: deu
Format: epub
Published: 2012-10-09T12:38:52+00:00


Geldautomaten und Presslufthämmer: ein Tag im Leben eines Shakaibu-Reporters

Ich erwachte müde und verschwitzt im Ruheraum im zweiten Stock des Yomiuri-Gebäudes. Da ich vergangene Nacht so lange im Büro bleiben musste, hatte ich den letzten Zug nach Hause verpasst.

Es gab zwei Ruheräume im zweiten Stock, einen für die Politik und die Wirtschaft und einen für die überregionalen Nachrichten und die Auslieferung. In unserem Raum gab es ausgebeulte Matratzen, Kissen, die mit Bohnen gefüllt waren, und eine Heizung, die einem ein Sauna-Gefühl bescherte. Außerdem ein Ausgang-Schild, das sein flackerndes Licht auf alles warf, und ein Telefon, dessen Hörer man jederzeit abnehmen musste, wenn es klingelte. Die Kollegen von der Politik hatten natürlich einen dunklen, temperierten Raum mit neuen Betten und ohne Telefon.

Ich rasierte mich, sprang in ein Firmenauto und fuhr nach Saitama, in mein altes Revier. Dort arbeitete ich an einem Artikel über eine Serie von spektakulären Diebstählen aus Bankautomaten. Im vergangenen Jahr waren es etwa 57 gewesen. Die Räuber brachen in eine Baufirma in der Nähe eines einsamen Automaten am Stadtrand ein und stahlen einen Bagger oder Gabelstapler, damit fuhren sie dann zum Automaten, rissen ihn von der Wand und nahmen ihn mit. An einem sicheren Ort brachen sie ihn auf, entnahmen den Safe mit dem Geld, luden ihn in ein anderes Auto und trennten sich. Das alles dauerte meist etwa vier Minuten. Da die Polizei im Durchschnitt nach sechs Minuten am Tatort war, mussten die Räuber ziemlich flink sein. Etwa jedes zweite Mal konnten sie den Bankautomaten nicht schnell genug von der Wand reißen und mussten die Beute zurücklassen.

Ich sprach mit Beamten von Scotland Yard, die beauftragt gewesen waren, Ende der Neunzigerjahre eine Serie von ähnlichen Vorfällen zu untersuchen – die Täter wurden damals Rammbockräuber genannt. Die britische Polizei hatte die Banken dazu gedrängt, die Geldautomaten im Boden zu verankern, seitdem gab es kaum noch Diebstähle. Die Automaten können so zwar immer noch keinem Bagger widerstehen, aber die Räuber brauchen mehr Zeit, sodass die Polizei sie leichter schnappen kann. Eine andere Möglichkeit ist es, Tintenkapseln in den Geräten unterzubringen. Wenn ein Automat geschüttelt oder umgekippt wird, spritzt Tinte auf die Banknoten und markiert sie. In Japan sind die Geldautomaten der Banken jedoch versichert, sodass sie keinen einzigen Yen verlieren, wenn sie beraubt werden. Sie bezahlen daher lieber die Versicherungsprämie, als ihre Geräte für teures Geld sicherer zu machen. Gegen die Tinte hat außerdem die Bank von Japan ihr Veto eingelegt, da sie keine verschmierten Banknoten gegen saubere eintauschen möchte. Der Schwarze Peter bleibt also bei der Polizei.

Zuerst suchte ich das Polizeirevier von Saitama auf und erkundigte mich nach den sieben Diebstählen in der Gegend. Die Leute, die ich schon vor zehn Jahren kontaktiert hatte, darunter einige meiner guten Informanten, waren auf der Karriereleiter nach oben gestiegen, sodass es nun oft leichter war, Antworten zu bekommen. Sie erinnerten sich noch an mich, weil ich ihnen nach meinem Abschied immer Neujahrskarten geschickt hatte. In Japan versendet man jedes Jahr Neujahrsgrüße. Wer das nicht tut, gilt als Außenseiter. Ich fand diesen Brauch zwar



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